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Deutsche Großstädte leiden seit Jahren unter Wohnungsknappheit und rasant steigenden Mieten. Auch in Berlin wurde der Mietmarkt durch den Zuzug von fast einer halbe Million Menschen seit 2008 auf die Probe gestellt. In vielen Stadtteilen haben selbst Normalverdiener kaum noch Chancen auf eine bezahlbare Bleibe.
Doch trotzdem ist es ein radikaler Schritt: Der Berliner Senat hat formal den Gesetzentwurf zum Mietendeckel mit der umstrittenen „Wucherpreis“-Klausel beschlossen. Bis Anfang 2020 soll das Gesetz vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden und rückwirkend ab 18. Juni 2019 gelten.
Die wichtigsten Regelungen im Überblick:
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Die Mieten für etwa 1,5 Millionen Wohnungen werden fünf Jahre lang eingefroren .
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Es werden Mietobergrenzen eingeführt, die sich nach Baujahr und Ausstattung der Wohnung richten und sich am Mietenspiegel 2013 orientieren. Diese dürfen bei Neuvermietungen nicht überschritten werden.
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Bei Modernisierungsmaßnahmen für mehr Barrierefreiheit oder Klimaschutz sollen Vermieter maximal einen Euro je Quadratmeter auf die Höchstmiete aufschlagen können. Auch bei besonders hochwertiger Ausstattung darf der Vermieter ein Euro je Quadratmeter mehr verlangen.
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Bestandsmieten dürfen nicht mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegen, andernfalls gelten sie als „Wuchermieten“. Bestandsmieten dürfen die Obergrenzen also um nicht mehr als 20 Prozent überschreiten. Es sollen aber Zu- oder Abschläge auf Basis der Lage möglich sein. Die gesamte Senkungsregelung soll erst neun Monate nach dem Mietendeckel gelten.
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Ab 2022 dürfen Vermieter zum Inflationsausgleich die Miete um jährlich 1,3 Prozent erhöhen , wenn die Obergrenzen dadurch nicht überschritten werden.
Welche Auswirkungen könnte der Mietpreisdeckel mit sich bringen?
1. Der Mietwohnungsmarkt wird kleiner.
Wenn eine Mietwohnung wieder frei wird, wird man sich als Vermieter nun überlegen müssen, ob es sich überhaupt lohnt die Wohnung weiterhin zu vermieten. Eigentümer werden ihre Wohnungen lieber verkaufen oder die Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umwandeln und dann selbst nutzen. Diejenigen Mieter, die sich das nicht leisten können und die eigentlich von dem Mietendeckel profitieren sollen, werden leer ausgehen.
2. Kleineigentümer werden benachteiligt.
Wer teuer gekauft und hohe Mieteinnahmen einkalkuliert hat, könnte sich nun mit finanziellen Problemen konfrontiert sehen. Viele Eigentümer in Berlin sind Privatpersonen, die nicht hauptsächlich von den Mieteinkünften leben. Sie haben in Wohnimmobilien investiert, um für das Alter vorzusorgen. Sie haben sich auf die Mieteinnahmen verlassen und müssen nun mit erheblichen Einbußen rechnen.
Zudem sind vermietete Wohnungen üblicherweise über Bankkredite finanziert. Wenn sich die Einnahmen aus den Mieten verringern, können Eigentümer möglicherweise ihre Kredite nicht mehr bedienen. Allerdings soll es für Vermieter die Möglichkeit geben, Ausnahmen zu beantragen, damit wirtschaftliche Schieflagen oder Substanzgefährdung vermieden werden. Der Mietzuschuss darf höchstens dem die Mietobergrenze überschreitenden Betrag entsprechen.
3. Besserverdiener in angesagten Stadtteilen werden bevorzugt.
Die Lage einer Wohnung wird bei der Obergrenze nicht ausreichend berücksichtigt. Denn selbst für eine hochwertig sanierte und modernisierte Altbauwohnung in einem angesagten Stadtteil soll eine Mietobergrenze von 7,45 Euro je Quadratmeter gelten. Nur geringe Aufschläge sind möglich. Mieter in weniger bevorzugten Bezirken profitieren hingegen kaum von dem Mietendeckel.
Auch werden sich Vermieter am Ende einer Wohnungsbesichtigung für den solventesten Bewerber entscheiden, also einkommensstarke Haushalte ohne Kinder. Und diese bekommen die Wohnung dann zum gedeckelten Mietpreis. Bedürftige Familien hingegen werden es noch schwerer haben eine Wohnung zu finden.
4. Private Eigentümer werden ihre Immobilien nicht mehr pflegen können.
Die geringeren Einnahmen stehen Ausgaben für Sanierungen gegenüber. Durch die Deckelung werden Vermieter kaum noch Anreize haben, in die Instandsetzung zu investieren und nur noch die nötigsten Instandhaltungsmaßnahmen durchführen.
Wenn der Vermieter keine Möglichkeiten mehr hat, die Modernisierungskosten auf die Miete umzulegen, desto geringer dürfte die Bereitschaft sein, Wohnungen tatsächlich zu modernisieren. Mittel- und langfristig hätte dies zur Folge, dass der Wohnungsbestand in Berlin verkommen würde. Sanierungen verhindern nicht nur den Verfall von Wohnungen, sondern dienen auch energetischen Modernisierungen.
Zwar dürfen Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden, dies allerdings nur in Höhe von einem Euro je Quadratmeter und Monat.
5. Der Neubau wird zurückgehen.
Zwar sind Neubauten aktuell noch vom Mietendeckel ausgenommen. Doch viele Investoren werden sich die Frage stellen, wann der nächste Mietendeckel – auch für Neubauten – kommen wird. Die zunehmende Verunsicherung am Markt könnte dazu führen, dass Kapital- und Beleihungskosten in die Höhe schießen. Folglich könnten die Kosten für einen Wohnungsneubau noch weiter steigen.