Die vom Robert-Koch-Institut für die Bundesregierung bereitgestellte Corona-Warn-App zeigt an, wenn die Möglichkeit besteht, sich mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt zu haben. In der letzten Woche erschien die Anwendung in elf europäischen Ländern in den jeweiligen App- und Play-Stores, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) auf Twitter mitteilte. Dreizehn Millionen Mal haben Menschen in Deutschland die Corona-Warn-App heruntergeladen. Dies entspricht 15,85 % der Bevölkerung in Deutschland. Nach Angaben des Gesundheitsministers Jens Spahn wurde die offizielle deutsche Corona-Warn-App damit öfter heruntergeladen als die Corona-Apps aller anderen EU-Staaten zusammen. Forscher der Universität Oxford hatten berechnet, dass eine Beteiligungsquote von 60 Prozent benötigt wird, wenn eine App im Kampf gegen Covid-19 alleine steht.
Was die App tut
Die Anwendung zeichnet mit Bluetooth-Technologie auf, wann und wie lange sich jemand in der Nähe eines anderen Smartphone-Nutzers aufgehalten hat, der ebenfalls die App aktiviert hat. Wird jemand positiv auf das Coronavirus getestet, kann er über die App anonym die Nutzer warnen, mit denen er Kontakt hatte. Die App kann damit den Zweck erfüllen, für den sie geschaffen wurde: Dabei helfen, Infektionsketten schneller und präziser zu unterbrechen.
Das ultimative Stalking Tool für den Staat?
Bereits unmittelbar nach der Ankündigung der Bundesregierung, dass eine derartige App entwickelt wird, hagelte es Kritik von Datenschützern. Die Gefahr des Missbrauchs einer solchen Technologie liegen auf der Hand: Der Staat wüsste plötzlich, wann Sie mit wem wo Kontakt hatten. Detaillierte Bewegungsprofile hätten einfach erstellt werden können. Die App wüsste sogar, wenn Sie in der Fußgängerzone länger als üblich vor dem Schaufenster des italienischen Unterwäscheherstellers stehen würden, an dem Sie sonst immer ganz schnell vorbeigehen. Oder eben, dass Sie eine Veranstaltung der Opposition besucht haben – und mit wem.
Gerademal zwei Jahre nachdem die Datenschutzgrundverordnung in Kraft trat, sollte also im Rahmen der allgemeinen Corona-Hysterie – die ohnehin von vielen fragwürdigen Grundrechtseingriffen geprägt war – der gläserne Bürger doch bitte nun auch noch das letzte Stück persönlicher Freiheit aufgeben. Sie haben doch nichts zu verbergen?! Doch es kam anders:
Datenschutz und Transparenz
Die Entwickler und Initiatoren haben die Kritik ernst genommen und den kompletten Programmcode auf der Entwickler-Plattform GitHub offengelegt. Sie legten großen Wert darauf, die Tracking-App möglichst transparent zu entwickeln. Bis Pfingsten haben bereits mehr als 65.000 freiwillige Software-Experten die Quellcodes angesehen und eigene Vorschläge für Verbesserungen gemacht.
- So wurde insbesondere das Konzept der zentralen Datenspeicherung verworfen. Ihre Daten landen also nicht auf einem Server der Bundesregierung, sondern bleiben auf Ihrem Smartphone.
- Die App wertet keine Geo-Daten aus und übermittelt keine Ortsinformationen. Warum auch? Sie müssen nicht wissen, wo sie sich infiziert haben können, sondern nur DASS sie sich infiziert haben könnten.
- Es werden keine persönlichen Daten zu Ihrer Person oder den Personen, denen Sie begegnen gespeichert. Es wird lediglich ein einzigartiger Identifizierungscode ausgetauscht und auf Ihrem Handy gespeichert. Wenn dann eine Infektion gemeldet wird, erhalten alle App-Nutzer mit dem betroffenen Identifizierungscode eine Nachricht.
Wer steht hinter der App?
Die App wurde im Auftrag der Bundesregierung in Zusammenarbeit dem Robert-Koch-Institut entwickelt. Die technische Umsetzung übernahm federführend die Deutsche Telekom und der Software-Konzern SAP. Als Berater fungierten die Fraunhofer-Gesellschaft und das Helmholtz-Zentrum CISPA. Bei den Tests zur Bedienung der App half #GesundZusammen mit. Hierbei handelt es sich um eine Allianz europäischer Technologieunternehmen, die aktiv dazu beitragen möchte, Covid-19 mit digitalen Lösungen einzudämmen.
Das sagen Datenschützer
Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, Manuel Höferlin, lobte die Veröffentlichung und damit die Transparenz des Programmcodes. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber ist zufrieden, dass die Daten nur dezentral gespeichert werden. Dieses Modell sei „aus Datenschutzgründen das bessere“. Der Präsident der Gesellschaft für Informatik Hannes Federrath begrüßte ebenfalls den neuen Weg.
Der Qthority-Datenschutzexperte und Rechtsanwalt Mirco Lehr hat die App sowohl in technischer als auch juristischer Hinsicht geprüft. Die Lösung der Bundesregierung zeige, dass Gesundheitsschutz und Datenschutz gleichzeitig möglich sind. Zu Bedenken sei allerdings, dass mehr als 99 Prozent aller mobilen Geräte mit dem Google-Betriebssystem Android oder iOS von Apple laufen. Die beiden Tech-Giganten entwickelten gemeinsam die Technologie, mit der erkennbar ist, wie lange und auf welcher Entfernung zwei Handys nebeneinander waren. Der Datenschutz wird daher in Zukunft für jeden Einzelnen noch wichtiger werden.
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Foto by Firn/shutterstock