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Kanzlei Jaffé verschickte Anfechtungsbriefe an 25 Musteranleger
Tausende ehemalige P&R-Anleger könnten sich vergangenes Jahr zu früh gefreut haben. Die P&R-Insolvenzverwalter haben nun 25 ehemalige Investoren ausgesucht, die Beträge zwischen 9 000 € und 30 000 € zurückzahlen sollen. Diese Beträge haben sie in den vier Jahren vor den Insolvenzanträgen in Form von Mieten und Rückkaufpreisen erhalten. Da P&R ein Schneeballsystem war, erfolgten die Rückzahlungen mit den Geldern neuer Anleger. Gemäß Paragraph 134 Insolvenzordnung könnten diese anfechtbar sein.
Voraussetzungen
Der seit Jahren aufgebaute Fehlbestand von Containern führte laut der Insolvenzverwalter spätestens ab Ende 2010 dazu (Jaffé: „wahrscheinlich bereits früher“), dass die P&R-Gruppe nicht mehr in der Lage war, mit den aus der Vermietung von Seefrachtcontainern erzielten Einnahmen ihre gegenüber den Anlegern bestehenden Verbindlichkeiten zu decken. Im Klartext hat P&R also die Altanleger mit dem Geld der Neuinvestoren ausbezahlt und teilweise sogar Containerbestände abgebaut. Die Kanzlei Jaffé hat das in einem Schreiben an einen der betroffenen Anleger so zusammengefasst: „Aufgrund der durch dieses Vorgehen ständig wachsenden Container-Bestandslücke führte dieses ‚Schneeballsystem‘ zwingend zum Untergang der P&R-Gruppe des Jahres 2018.“
Konsequenzen
Aufgrund des Schneeballsystems und wegen der fehlenden Bestimmtheit der verkauften Container erwarben die Anleger kein Eigentum. Rechtsanwalt Dr. Michael Schuster von der Kanzlei Jaffé schließt daraus, dass sämtliche Zahlungen ohne Gegenleistung erfolgten. In diesem Fall wäre der Tatbestand der Schenkungsanfechtung gemäß Paragraph 134 Absatz 1 der Insolvenzordnung erfüllt: „Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.“
Musteranleger
Etwa 25 Investoren hat die Kanzlei nun ausgesucht, um hier Pilotprozesse zu führen. Schließlich gibt es zu vergleichbaren Fällen keine höchstrichterliche Rechtsprechung: „Um etwaige Anfechtungsansprüche rechtssicher prüfen zu können – wie es der gesetzliche Auftrag der Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubigergesamtheit ist – , war es von Anfang an beabsichtigt – zur Schonung der Insolvenzmasse einerseits und Vermeidung von unnötigen Belastungen von ehemaligen Anlegern andererseits – nur wenige Pilotprozesse zur Klärung der Rechtslage zu führen.“ Die dafür ausgewählten Anleger sind repräsentativ für eine Vielzahl von Investoren. Durchweg haben diese ihre Gelder vor der Insolvenz vollumfänglich zurück erhalten. Sie sind gezielt ausgesucht worden, da sie „aller Voraussicht nach in der Lage sind, eine entsprechende Klage auch führen zu können“. Die Insolvenzverwalter gehen also nicht davon aus, dass diese die geforderten Beträge zwischen 9 000 € und 30 000 € freiwillig zurück bezahlen.
Entreicherung
Sollte die Anfechtung erhaltener Zahlungen höchstrichterlich entschieden werden, wird jeder Einzelfall zu prüfen sein. Ein wichtiges Thema wären dabei Fragen der Entreicherung. Stark verallgemeinert ist also zu prüfen, ob jemand das erhaltene Geld überhaupt noch hat. Etwas juristischer ausgedrückt soll ein Anleger nicht schlechter gestellt werden, als er vor der „Bereicherung“ stand. Da bei P&R viele Gelder sofort reinvestiert wurden, könnten diese Investoren dafür die Einrede der Entreicherung geltend machen. Peter Mattil, anwaltlicher Vertreter der mit Abstand größten Anlegergruppe im Fall P&R, hat auf Nachfrage von investmentcheck erklärt, dass seiner Meinung reinvestierte Gelder den Tatbestand der Entreicherung erfüllen.
Insolvenzquote
Auch wenn derzeit noch unklar ist, ob am Ende alle Miet- und Rückzahlungen für vier Jahre vor Insolvenzantragsstellung anzufechten sind, dürfte die Anleger stark interessieren, wie sich das auswirken würde. Grundsätzlich fließen alle Rückzahlungen in die Insolvenzmasse. Wenn ein Altanleger, der eigentlich sein Investment erfolgreich abschloss und aktuell keine Forderungen an P&R-Unternehmen hat, zurückzahlen muss, dann profitieren davon die Anleger, die derzeit schon Forderungen haben. Der Altanleger zahlt beispielsweise 50 000 € zurück und kann dafür eine Forderung gegenüber der Insolvenzmasse geltend machen. Er bekommt am Ende nur die Quote, verliert also Geld. Der Verlust der einen Anleger ist der Gewinn der anderen Containerkäufer, weil deren Erfüllungsquote sich erhöht. Wer gewinnt und wer verliert hängt vom Einzelfall ab. Auf alle Fälle soll durch dieses Procedere eine Gläubigergleichbehandlung erreicht werden.
Vermittlungsprovision
Zu Recht denken die Insolvenzverwalter noch über eine andere Gruppe Begünstigter nach, die vor den Insolvenzen erhebliche Beträge von P&R erhalten haben. Gemeint sind die Finanzberater, die erhebliche Provisionen für die Vermittlung der Kaufverträge kassierten. Derzeit werde intensiv geprüft, ob diese erhaltene Zahlungen zurückführen müssen. Die Anspruchsgrundlage wäre allerdings keine Schenkungsanfechtung, da die „Leistung“ in Form von Kaufvertragsvermittlung ja erbracht wurde.
Steuern
Großes Thema innerhalb der geschädigten P&R-Anleger ist derzeit die steuerliche Behandlung ihrer Investments. Investmentcheck hört hier von völlig unterschiedlichen Vorgehensweisen der einzelnen Finanzämter. Überwiegend wird unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einfach so veranlagt, wie es der Steuerpflichtige erklärt. Eine von den Ländervertretern der Oberfinanzdirektionen abgestimmte einheitliche Vorgehensweise gibt es immer noch nicht. Diese soll aber zeitnah an die einzelnen Finanzämter ergehen. Im Sinne einer Gleichbehandlung wäre das wünschenswert. Im Sinne einer höheren Gerechtigkeit sollten die ohnehin geschädigten Anleger nicht auch noch zusätzlich belastet werden. Schließlich sind sie nicht die Schuldigen bei diesem Desaster und die P&R-Betriebsprüfer hätten weit mehr wissen können (müssen?) als jeder einfache Investor.
Loipfinger’s Meinung
Auch wenn die Rechtslage nicht eindeutig ist, so spricht mehr für eine Anfechtung als dagegen. Am Ende könnte es zu einer Unterscheidung zwischen vertraglich bezahlten Mieten und den von P&R freiwillig über Markt geleisteten Rückkäufen kommen. Vielleicht werden die Verträge aber für komplett ungültig erklärt. Gegen diese harte Vorgehensweise spricht allerdings, dass P&R über ihren Schweizer Ableger zumindest gewisse Containerkäufe auch in den Jahren 2014 bis 2016 durchführte. Egal wie es ausgeht, sollten am Ende allerdings nicht nur die Anleger zurückzahlen müssen. Es wäre höchst ungerecht, wenn nicht genug hinterfragende Finanzberater und vermutlich bewusst wegsehende Wirtschaftsprüfer einfach so davon kämen.