Privatversicherte kennen die jährlichen Briefe ihrer Krankenversicherungen. In den vergangenen Jahren haben die Versicherer ihre Versicherten mit erstaunlicher Regelmäßigkeit darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Prämien teilweise kräftig erhöht werden müssen. Nur die Begründungen dafür waren unterschiedlich. Mal waren es die Entwicklung der Kosten im Gesundheitswesen, mal der Kapitalmarkt, dem die Anpassungen geschuldet waren. Auf diese Weise sind die Prämien in den vergangenen Jahren konstant gestiegen, nicht selten um mehr als 50 Prozent. Die Versicherten waren und stehen diesen – teilweise willkürlich oder abgesprochen wirkenden – Erhöhungen hilflos gegenüber. Ein Wechsel der Krankversicherung ist schwierig bzw. fast unmöglich – echter Wettbewerb herrscht nur im Rahmen der Erstentscheidung für eine private Krankenkasse.
Mehrere Gerichte haben nun die Praxis der Prämienerhöhungen der vergangenen Jahre bei einigen Versicherungen hinterfragt und für unwirksam erklärt.
Die Gerichte haben die Art und Weise bemängelt, in der Versicherungen ihre Prämienerhöhungen genehmigen lassen. Die Versicherungen arbeiten mit Treuhändern zusammen, die ursprünglich von einer Aufsichtsbehörde bestellt wurden. Die Aufgabe dieser Treuhänder ist es, die Kalkulationsbasis der Krankenversicherung zu prüfen und die beantragte Prämienerhöhung dann genehmigen. Die Gerichte haben nun festgestellt, dass jedenfalls bei zwei privaten Krankenkassen Zweifel an der Unabhängigkeit dieser Treuhänder bestehen, weil die Krankenkassen seit Jahren mit den gleichen Treuhändern arbeiten und diese Treuhänder wiederum ein Großteil ihrer Einnahmen im Rahmen dieses Prüfungsauftrages erwirtschaften. Sobald die Einnahmen dieser Treuhänder eine gewisse Schwelle überschreiten, so die Gerichte, sind die Treuhänder wirtschaftlich abhängig von denjenigen, die sie unabhängig überprüfen sollen. Die Gerichte bezogen sich dabei auf eine Bestimmung im Handelsgesetzbuch nach der Wirtschaftsprüfer von der Abschlussprüfung ausgeschlossen sind, wenn diese in den vorangegangenen fünf Jahren jeweils mehr als 30 Prozent der Gesamteinnahmen aus ihrer beruflichen Tätigkeit von der zu prüfenden Kapitalgesellschaft bezogen hat. Diese Umsatzabhängigkeit führe dazu, dass die Unabhängigkeit der Treuhänder nicht mehr gewährleistet war und die entsprechend genehmigten Beitragserhöhungen der vergangenen Jahre unwirksam wären.
Der Vorteil der Versicherten kann beträchtlich sein. Wenn ein Versicherter bspw. in den vergangenen Jahren bspw. von ursprünglich EUR 350 monatlich auf aktuell EUR 500,- angehoben wurde, so kann er eine Reduktion auf den ursprünglichen Satz und die Erstattung der zu viel bezahlten Prämien verlangen. Dieser Rückzahlungsanspruch kann im Maximalfall die Erhöhungen der letzten 10 Jahre umfassen.
Allerdings sind die Gerichtsurteile bisher nicht rechtskräftig. Natürlich gehen die Versicherungen mit allen Mitteln dagegen vor, denn ihnen drohen hohe Schäden. Interessanterweise werden sie bei der Abwehr kommunikativ von der Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterstützt, die sich in ihrem Journal aus dem vergangenen Sommer gegen die Entscheidungen der Gerichte wendet und ihre eigene Aufsichtspraxis verteidigt.(https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2017/bj_1707.html;jsessionid=4EBD86367D834E58A42CF405BFD209BD.1_cid390).
Noch ist das Ergebnis offen bis der Bundesgerichtshof entscheidet, sofern es die Versicherungen so weit kommen lassen.
Die Fälle DKV und AXA
Große Aufregung verursachen dieser Tage wieder die Gerichte, dieses Mal das LG Frankfurt (Oder), das mit Urteil vom 18.01.2018 (14 O 203/16) entschieden hat, dass die Prämienerhöhungen der Krankenversicherung DKV für die Jahre 2015 bis 2017 unwirksam seien. Die DKV hat natürlich gleich angekündigt, Berufung einzulegen (Bericht im Handelsblatt).
Ganz so exotisch ist die Auffassung des Gerichtes nicht. Bereits im Jahr 2016 hat das Amtsgericht Potsdam (Urteil vom 18.10.2016, Az. 29 C 122/16) gegen eine andere Krankenversicherung (die AXA) entsprechend entschieden. Das Urteil des AG Potsdam löste schon damals ein großes Flügelschlagen aus, wurde für geradezu absurd gehalten und etwas belächelt – bis in der Berufungsinstanz das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 27.09.2017 (Az. 6 S 80/16) die Entscheidung bestätigte. Nun ist der BGH am Zug.
Die Folge dieser Unwirksamkeit ist nach Ansicht der Landgerichte, dass die betreffenden Kläger
- überzahlte Beträge plus Zinsen zurückverlangen können und
- fortan nur die Prämie ohne die unwirksamen Erhöhungen zahlen müssen.
Das klingt natürlich auch für andere Versicherungsnehmer interessant.
Gerne prüfen wir auch Deine Ansprüche.