Nach einer Berechnung der Deutschen Umwelthilfe aus dem Jahr 2018 müsste der Staat von der Autoindustrie ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 20 Milliarden Euro verlangen – aufgrund der in den Fahrzeugen von Volkswagen, Audi, Mercedes und Opel verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen.
Bislang fällt die zuständige Behörde – das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) – jedoch in erster Linie durch eine (vorsichtig ausgedrückt) gewisse Verzögerungstaktik auf.
So gab es z.B. seit dem September 2019 unzählige Rückrufe bei verschiedenen Herstellern. Jedoch ist die für den Verbraucher sehr hilfreiche Gesamtauflistung der betroffenen Fahrzeuge – aus der überhaupt erst einmal für den Fahrzeugbesitzer erkennbar ist, ob auch genau sein Fahrzeug betroffen ist – noch auf dem Stand 24.09.2019!
In diese für den Autokäufer undurchsichtige Gemengelage „platzt“ nun ein spannender Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg (6. Senat), vom 05.02.2020 – OVG 6 S 59.19. Auslöser dieses Verfahrens ist ein ZDF-Redakteur, der seit dem Jahr 2018 zu dem Thema „KBA, Bundesverkehrsministerium und Autoindustrie“ recherchierte. Unter anderem für das ZDF-Magazin Frontal 21 stellte er dem Ministerium Fragen zu den unterbliebenen Bußgeldern. Das Ministerium verweigerte eine Auskunft, woraufhin er bei dem Verwaltungsgericht Berlin mit der Begründung eine Klage einreichte, dass die Öffentlichkeit dringend informiert werden müsse, weil Verjährung der Ansprüche der Autokäufer drohe und zudem auch die Möglichkeit ende, noch Bußgelder zu verhängen.
Besonders spannend für die unzähligen betroffenen Käufer eines Fahrzeuges der Daimler AG waren die Punkte 1. und 1.1 des Beschlusses des VG Berlin vom 23.09.2019 – VG 27 L 98.19:
„…Im Übrigen wird der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,
1. ob … gegenüber dem Vorsitzenden der AG Herrn bei einem Treffen am 28. Mai 2018 im Bundesverkehrsministerium geäußert hat, er könne 5.000,00 Euro pro Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung als Ordnungsgeld berechnen und/oder die Äußerung getätigt hat: „Das macht 3,75 Milliarden Euro“,
falls die Frage 1. verneint wird,
1.1 ob Herr … gegenüber dem Vorsitzenden der AG Herrn in anderer Form als unter 1. beschrieben bei einem Treffen am 28. Mai 2018 im Bundesverkehrsministerium geäußert hat, dass Bußgelder und/oder Ordnungsgelder und/oder Geldstrafen gegen die AG wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen verhängt werden können,
falls die Frage 1.1 bejaht wird, …“
Der Bundesverkehrsminister ging also am 23.05.2018 nach Recherchen des Journalisten ganz offensichtlich von einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und **von mindestens 750.000 betroffenen Fahrzeugen!**
Die Daimler AG argumentiert in tausenden von Verfahren bis zum heutigen Tage damit, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in keinem ihrer Fahrzeuge verbaut sei, da jegliche Einstellung (Thermofenster etc.) einzig dem Motorschutz diene. Da bislang kein Bescheid inhaltlich an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist das Verhalten des KBA sowie des Bundesverkehrsministers Scheuer als für die Käufer „zumindest unglücklich“ anzusehen.
Insofern besteht mit diesem Beschluss jedoch nun die Möglichkeit, Aufklärung über den Inhalt des „Geheimtreffens“ zwischen dem damaligen Daimler Vorstandsvorsitzenden und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zu erlangen, der ganz offensichtlich wie auch das KBA von einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeht und vollkommen unverständlich für die Millionen Käufer der betroffenen Daimler Fahrzeuge keinerlei Interesse daran hat, diese oder die Öffentlichkeit zu informieren geschweige denn aufzuklären.
Wohlgemerkt: Das Treffen fand am 28.05.2018 statt. Seit dieser Zeit gab es eine Vielzahl von Rückrufen, die zunächst nur als „freiwillige Kundendienstmaßnahme“ von Daimler bezeichnet wurden. Das Ausmaß des „Daimler-Abgasskandals hat damit längst das des „Volkswagen-Abgasskandals“ erreicht.
Jedem Käufer (auch im Falle des bereits erfolgten Verkaufs) und Leasingnehmer eines Fahrzeuges der Daimler AG ist somit dringend anzuraten, das Fahrzeug auf seine Betroffenheit überprüfen zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn es zunächst eine „freiwillige Kundendienstmaßnahme“ gab und in der Folge das Softwareupdate aufgespielt wurde. Gerade dann wird die Daimler AG nicht mehr über einen folgenden „amtlichen Rückruf“ informieren.
Haben Sie noch Fragen? Dann kontaktieren Sie uns ganz einfach hier. Wenn Sie zu spannenden und aktuellen Rechtsthemen nichts mehr verpassen möchten, dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren.
Foto: © shutterstock/Christian Mueller