Arbeitszeiterfassung mittels Fingerabdruck?

In Großunternehmen und Behörden ist es gängig, dass Angestellte ihre Arbeitszeiten mittels eines Chips „ein- und ausstempeln“. Ein Arbeitgeber mahnte seinen Angestellten mehrfach ab, nachdem dieser sich u.a. weigerte das von ihm zur Verfügung gestellte Zeiterfassungssystem mittels Fingerabdruck zu verwenden. Das zuständige Gericht sah es nicht als erforderlich an, ein solches System anzubieten. Arbeitnehmer seien daher nicht verpflichtet, es zu verwenden, insbesondere wenn es geeignete Alternativen gäbe.

Der Arbeitgeber richtete das Zeiterfassungssystem per Fingerabdruck ein sowie ein weiteres Gerät, das eine Zutrittskontrolle ermöglicht, jedoch als zusätzliche Funktion auch eine Zeiterfassung mittels Ausweisdokument zulässt. Sinn und Zweck der Hardware sei es Manipulationen bei der Arbeitszeitangabe zu verhindern. Er informierte sodann alle Beschäftigten, dass ab dem 1. August 2018 das neue System gelte. Der E-Mail beigefügt waren ein Datenblatt über das System und eine Erklärung, dass die Verwendung des Systems datenschutzkonform sei. Zuvor trugen die Angestellten ihre Arbeitszeiten handschriftlich in einen Stundenzettel ein. An dieser Dokumentationsart hielt der Kläger weiterhin fest, der eine Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte begehrte.

Dabei ist die Bezeichnung „Fingerabdruck“ ungenau, da das System im vorliegenden Fall einen Datensatz an Minutien speichert. Hierbei handelt es sich um Endpunkte auf der Haut des eigenen Fingers, die nicht vererbbar sind. Das LAG Berlin-Brandenburg wies die Berufung der Beklagten zurück und gab dem Kläger recht. Zunächst hätte der Arbeitgeber eine Einwilligung aller Angestellten einholen müssen. Ferner sind die Verarbeitung von jeglichen biometrischen Daten (Art. 4 Nr. 14 DS-GVO) untersagt gem. Art. 9 Absatz 1 DS-GVO. Darunter fällt auch der gewonnene Datensatz an Minutien – im datenschutzrechtlichen Sinne als biometrische Daten und als besondere Kategorie personenbezogener Daten iSd § 26 Abs. 3 BDSG. Eine Ausnahme des Verbots aus Art. 9 DS-GVO ist u.a. dann gegeben, wenn die Verarbeitung erforderlich ist, damit der Verantwortliche – hier der Arbeitgeber – oder die betroffene Person – der Arbeitnehmer – seinen aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechten und Pflichten nachkommen kann, Art. 9 Absatz 2 lit. b DS-GVO. Unabhängig von dieser Vorschrift gilt auch § 26 Absatz 3 BDSG, der die Verarbeitung zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses regelt. Da diese Ausnahme in Betracht kommt, ist eine Erforderlichkeitsprüfung vorzunehmen.

Hierbei prüft das Gericht einzelfallabhängig, ob und inwiefern die Verarbeitung biometrischer Daten des Klägers bei der Zeiterfassung erforderlich sind, damit dieser seinen Pflichten (z.B. persönliche Erbringung der Arbeitszeit bei Berücksichtigung des Arbeitsortes) aus dem Arbeitsrecht nachkommen kann. Zu beachten gilt, dass je intensiver in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen werden solle, desto schwerer müsse der vom Arbeitgeber mit dem biometrischen Verfahren verfolgte konkrete Zweck wiegen.
Im konkreten Sachverhalt entschied das Gericht, dass das zweite Gerät, das die zusätzliche Funktion der Zeiterfassung mittels des eigenen Ausweises anbietet, aber vom Arbeitgeber für die Zutrittskontrolle gedacht war, ein gleich wirksames Mittel sei, welches das Persönlichkeitsrecht weniger beeinträchtige. Damit war das Fingerprint-Gerät nicht erforderlich.

Was bedeutet dies für Arbeitgeber?

Selbst wenn der Arbeitgeber die Einwilligung aller Angestellten ordnungsgemäß einholen würde, um ein Fingerabdruck-Zeiterfassungssystem einzurichten, so stellt das Gericht in concreta hohe Anforderungen daran, ob es tatsächlich erforderlich ist. In einer Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden der Bund und Länder letzten Jahres hielt man sogar fest, dass für eine wirksame Einwilligung jegliche Verarbeitung biometrischer Daten ausscheidet, sofern keine Alternativen (z.B. Chipkarte) angeboten werden (Positionspapier zur biometrischen Analyse, 3.April 2019).

Man sollte sich in jedem Fall rechtlich beraten lassen, sonst können später hohe wirtschaftliche Einbußen für das eigene Unternehmen entstehen.

Gerne helfen wir Ihnen in Zusammenarbeit mit unseren Fachanwälten für Arbeitsrecht herauszufinden, inwiefern die Einrichtung eines Zeiterfassungssystem in Ihrem eigenen Unternehmen praktikabel und rechtlich zulässig ist.

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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