„Big Brother“ auf der Straße? – Das Dillemma mit der Dashcam

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Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat entschieden, dass Dashcam-Aufzeichungen unter bestimmten Voraussetzungen als Beweismittel bei Unfall-Prozessen verwertbar sind und damit ein Grundsatzurteil gefällt.

Was ist überhaupt eine Dashcam?

Als Dashcams bezeichnet man kleine Kameras, die durch die Windschutzscheibe das Verkehrsgeschehen erfassen. Der Begriff „Dashcam“ setzt sich aus den englischen Worten „dashboard“, auf Deutsch Armaturenbrett, und „camera“ zusammen. Die Fahrt wird ununterbrochen gefilmt und die Videoaufnahmen in einer Schleife gespeichert. Nach dem Ablauf einer programmierbaren Zeit oder bei Erreichen des Speichervolumens werden ältere Aufnahmen überschrieben.

Welcher Fall lag dem BGH vor?

Der BGH hat nun erstmals die Aufzeichnungen einer Dashcam als Beweismaterial zugelassen. Die beiden Parteien sind innerorts auf einer Doppel-Linksabbiegerspur seitlich kollidiert. Es wurde darüber gestritten, wer von den Unfallbeteiligten seine Spur verlassen und damit den Unfall verursacht hatte. Der Kläger wollte daraufhin die Aufnahmen seiner Dashcam als Beweismittel einbringen. Dieses Begehren wurde ihm durch die Vorinstanzen jedoch verwehrt.

Zwar sind Dashcams generell nicht verboten; das Filmen von anderen Verkehrsteilnehmern ohne ihr Wissen allerdings schon. Die Aufnahme verstoße gegen das Datenschutzverbot, da ein besonders schwerer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen gegeben sei. Die aufgenommene Videoaufzeichnung sei damit auch als Beweis nicht verwertbar. Auch soll die Kamera etwa vier Stunden gelaufen sein, was zur Beweisgewinnung bei einem Unfall nicht erforderlich ist.

Der BGH sah das anders: „Die Unzulässigkeit oder Rechtwidrigkeit einer Beweiserhebung führt im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Über die Frage der Verwertbarkeit ist vielmehr aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden.“

Wo liegt nun das Problem?

Trotz des BGH-Urteils steht nach wie vor derjenige, der eine Dashcam für sein Auto besitzt vor einem Dilemma: Eine Dashcam-Aufnahme verstößt jedenfalls dann gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, wenn permanent und ohne Anlass das gesamte Geschehen auf und entlang der Fahrstrecke aufgezeichnet wird. Das permanente Aufzeichnen bleibt damit nach wie vor unzulässig.

Dadurch ergibt sich nun folgendes Problem: Durch die eindeutigen Dashcam-Aufzeichnungen obsiegt man zwar im Zivilprozess, zugleich kann durch die Datenschutzbehörde aber eine Bußgeldstrafe auferlegt werden.

Auch wurde das Urteil noch vor der neuen DSGVO, die seit dem 25. Mai 2018 zwingendes Recht ist, entschieden. Auf den Dashcam-Nutzer könnten nun noch umfassende Pflichten zur Dokumentation zukommen, wie etwa die Sicherung der Daten vor Missbrauch oder Diebstahl. Auch könnten sie in der Zukunft dazu verpflichtet werden, eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchzuführen, da mit der durch die Kamera verbundenen Datenverarbeitung eine „systematische, umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche“ verbunden ist.

Mit seinem Urteil hat der BGH jedenfalls die Bundesregierung unter Druck gesetzt, Mindeststandards für datenschutzkonforme Dashcams festzulegen: Etwa müsste festgelegt werden, dass Dashcams immer nur sehr kurze Sequenzen aufzeichnen, indem sich die Aufnahmen in kurzen Abständen selbst überschreiben. Eine Speicherung würde dann erst bei einer Kollision oder Erschütterung stattfinden. Auch ist durch das Urteil für ein gewisses Maß an Rechtssicherheit gesorgt, indem festgestellt wurde, dass Dashcam-Aufnahmen in einem Haftpflichtprozess gerichtlich verwertbar sein können.

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