Das Recht auf Vergessenwerden

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„Das Internet vergisst nichts.“ – Das stimmt nicht ganz. Im Rahmen der seit Mai 2018 geltenden EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wurde das Recht auf Vergessen für Bürger festgelegt. Dadurch sollen die Persönlichkeitsrechte von Bürgern besser geschützt werden. Doch der Anspruch hat Grenzen.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Mai 2014 hatte großen Einfluss darauf, welche Inhalte im Netz für Nutzer aus der EU auffindbar sind. Das Gericht entschied, dass Personen in gewissen Fällen gegen Suchmaschinenbetreiber das Recht auf Entfernung von Links zu personenbezogenen Informationen haben, etwa wenn die Information veraltet ist. Maßgeblich ist aber immer die Betrachtung des konkreten Einzelfalls. Im Grundsatz würden aber die Interessen der Betroffenen überwiegen. Ausgenommen sind Informationen, an denen ein öffentliches Interesse besteht. Das ist zum Beispiel bei Berichten über Personen des öffentlichen Rechts der Fall.

Aus dem Internet verschwinden diese Inhalte damit allerdings nicht, denn nur weil etwas nicht mehr über Suchmaschinen gefunden werden kann, ist es noch lange nicht aus dem Internet verschwunden. Unabhängig davon muss stets noch gegen die Internetseiten selbst vorgegangen werden.

Zudem wird nur in Europa „vergessen“. Denn die beispielsweise auf google.de gefilterten Suchergebnisse sind bei einer Suche über die Website google.com je nach Spracheinstellung weiterhin auffindbar. Das Ersuchen, die Information weltweit zu verbergen, lehnte der EuGH im September 2019 ab.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verhandelte am 06.11.2019 nun zwei Fälle, die Bezug auf das „Recht auf Vergessenwerden“ nehmen:

Nachdem ein Straftäter seine Zeit im Gefängnis abgesessen hat, steht an erster Stelle die Resozialisierung. Um einen erneuten Rückfall „auf die schiefe Bahn“ zu vermeiden, ist es in dieser Phase besonders wichtig eine Unterkunft und einen Beruf zu finden, um sich wieder ein neues, straffreies Umfeld aufzubauen. Dies erscheint aber faktisch unmöglich, wenn es jedermann zu jeder Zeit möglich ist, die Vergangenheit der Person mit einem Mausklick zu rekapitulieren. Abzuwägen ist zwischen dem Persönlichkeitsinteresse des Täters und dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit.

Im ersten Fall wurde der Kläger im Jahr 1982 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er an Bord einer Jacht zwei Menschen erschossen hatte. Der Spiegel berichtete damals über den Mordprozess, die Berichte sind im Online-Archiv des Spiegels heute noch abrufbar. Der vollständige Name wird dort genannt. Der Mann klagte zunächst vor dem Bundesgerichtshof und später beim Bundesverfassungsgericht.

Mit dem Beschluss „Recht auf Vergessen I“ hat das BVerfG der Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) stattgegeben. Der BGH hatte die Klage abgewiesen, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers durch das Bereithalten der beanstandeten Informationen im Internet nicht verletzt werde. Trotz des Zeitablaufs gebe es ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit daran, sich über dieses bedeutende zeitgeschichtliche Ereignis zu informieren, da es sich um ein spektakuläres Kapitalverbrechen handelt.

Nach Ansicht des BVerfG habe sich der BGH im konkreten Fall nicht hinreichend mit abgestuften Schutzmöglichkeiten auseinandergesetzt, die dem „Spiegel“ eher zumutbar sein könnten als die vollständige Löschung des Artikels oder die digitale Schwärzung des Namens. So hätte geprüft werden müssen, ob der „Spiegel“ die Online-Auffindbarkeit der Artikel über Online-Namenssuchen hätte erschweren müssen.

Im zweiten Fall ging es um einen Fernsehbericht. Für diesen Bericht gab die Geschäftsführerin eines Unternehmens 2010 ein Interview. Wurde über Google nach ihrem Namen gesucht, war das Transkript des Interviews, in dem ihr unter namentlicher Nennung ein unfairer Umgang mit einem gekündigten Arbeitnehmer vorgeworfen wird, in den Google-Suchergebnissen zu finden. Mit dem Beschluss „Recht auf Vergessen II“ wehrte das BVerfG jedoch ihre Klage aufgrund des öffentlichen Informationsinteresses an dem Beitrag ab.

Wie können deine Daten aus Suchmaschinen entfernt werden?

Du musst eine Löschanfrage gegenüber den Suchmaschinenanbietern stellen, wenn du „Jugendsünden“ oder einzelne Suchergebnisse, die zu deiner Person gespeichert sind, nicht aufgelistet sehen willst.

Dazu musst du ein Formular, den sogenannten „Antrag auf Entfernen von Suchergebnissen nach dem europäischen Datenschutzrecht“, online ausfüllen. Die Anträge findest du meist direkt bei der entsprechenden Suchmaschine, wie beispielsweise bei Google oder Bing.

Wichtig zu wissen ist, dass nicht automatisch jeder Eintrag gelöscht wird. Aus diesem Grund musst du exakt auflisten, welche Daten und Informationen entfernt werden sollen und darüber hinaus muss von dir angegeben werden, aus welchem Grund die Entfernung vorgenommen werden soll. Relevant sind dabei hauptsächlich zwei Gründe: zum einen, wenn es sich um Informationen handelt, die deine Persönlichkeitsrechte verletzen, oder zum anderen, wenn die Informationen veraltet sind.

Wenn die Suchmaschine deinen Antrag auf Entfernung ablehnt, bleibt dir noch die Möglichkeit, dich mit deinem Begehren an die zuständige Aufsichtsbehörde zu wenden. Konkret bedeutet dies für Google die Hamburgische Beauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit HmbBfDI und für die Suchmaschinen Bing und Yahoo! das Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht BayLDA.

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