Skandal-App Clearview: Ist Gesichtserkennung auch in Deutschland zulässig?

In der New York Times berichtet Kashmir Hill über das bis dato kaum bekannte Unternehmen Clearview AI, das mehr als drei Milliarden Bilder von Menschen aus dem Internet gesammelt und in einer Datenbank gespeichert haben soll. Daraus wurde eine Gesichtserkennungs-App entwickelt, die im vergangenen Jahr nach Angaben des Unternehmens mehr als 600 Strafverfolgungsbehörden sowie Privatfirmen genutzt haben.

Wie arbeitet Clearview?

Man macht ein Foto von einer Person, die App analysiert das Gesicht auf dem hochgeladenen Foto, rechnet es in ein mathematisches Modell um und stellt dann weitere Fotos vor, deren biometrische Werte ähnlich sind und dieselbe Person zeigen könnten. Angezeigt werden auch die Links zu den Webseiten, auf denen die Fotos erschienen sind.

Clearview hat zuvor mithilfe einer Software Bilder aus dem Netz gezogen, die öffentlich zugänglich waren, unter anderem von Facebook, YouTube, Twitter und Millionen anderer Websites, sogar von Nachrichtenportalen oder Webseiten von Arbeitgebern.

Warum steht Clearview in der Kritik?

Auf ihrer Webseite wirbt Clearview damit, Strafverfolgungsbehörden geholfen zu haben, Pädophile, Terroristen und Sexhändler aufzuspüren. Auch könne die Technologie eingesetzt werden, um Unschuldige zu entlasten und die Opfer von Verbrechen wie sexuellem Kindesmissbrauch und Finanzbetrug zu identifizieren.

Obwohl dies auf Seiten von Strafverfolgungsbehörden möglicherweise hilfreich ist, ist die App trotzdem sehr umstritten. Denn die Vorgehensweise verstößt gegen die Nutzungsbedingungen von Plattformen wie Twitter und Facebook. Twitter mahnte Clearview bereits ab und forderte, die Bilder, die es von der Plattform gezogen hat, wieder zu entfernen. Die Erfolgsaussichten sind aber ungewiss, denn das sogenannte „Scrapen“ ist laut US-Gerichtsbarkeit nicht grundsätzlich illegal.

Zudem birgt die App ein gefährliches Missbrauchspotenzial: Clearviews bestätigte, einen Prototypen für eine Computerbrille entwickelt zu haben. Damit könnte der Träger beliebige Menschen auf der Straße identifizieren. Durch einen Blick könnten alle öffentlich zugänglichen Daten über eine Person dem Nutzer der Brille offenbart werden. Autoritäre Regime könnten Aktivisten bei einer Demo überwachen oder ein Polizist die hübsche Frau in der U-Bahn stalken. Zwar sei es laut Clearview aktuell nicht geplant, die Brille auf den Markt zu bringen, doch könnte dies in naher Zukunft schon das nächste Unternehmen tun.

Wäre ein System wie das von Clearview in Deutschland zulässig?

In Deutschland ist die Gesichtserkennung bereits Thema: So plante das Bundesinnenministerium, die Überwachungsfunktion an 135 Bahnhöfen und 14 Flughäfen in Deutschland einzuführen. Zwar sei diese polizeiliche Gesichtserkennung mit Clearview nicht vergleichbar, trotzdem verzichtete Horst Seehofer nun zunächst auf seinen Wunsch nach Gesichtserkennung auf deutschen Bahnhöfen und Flughäfen.

Ein Vorgehen wie das von Clearview wäre in Europa zum jetzigen Zeitpunkt schwer umsetzbar. Grund dafür ist die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Artikel 9 der DSGVO sieht vor, dass besonders empfindliche Daten der Bürger geschützt werden, etwa Angaben zur politischen Orientierung oder der Gesundheit. Biometrische Daten sind ebenfalls personenbezogen und unterfallen damit dem grundsätzlichen Datenverarbeitungsverbot.

Hinzu kommt, dass die neue EU-Kommission um Ursula von der Leyen plant, den Einsatz automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum für die kommenden Jahre zu verbieten. Dies geht aus Vorschlägen für ein Weißbuch der EU-Kommission zum künftigen Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in Europa hervor. Das Verbot solle zunächst auf drei bis fünf Jahre beschränkt sein.

Wie kann ich verhindern, dass Apps wie Clearview meine Daten speichern?

Leider gar nicht. Man bekommt es überhaupt nicht mit, wenn Bilder und Videos gesaugt werden. Somit kann man der Verwendung auch nicht widersprechen. Einzige Möglichkeit um zu verhindern, dass Daten gespeichert werden, ist, keine Daten öffentlich ins Internet zu stellen.

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Foto: © Shutterstock/ sp3n

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